Endlich ein Zeitgewinn – und was nun?
Dieser Tage habe ich einen Zustand in Bezug auf Arbeit erreicht, den ich allen Kunden hin und wieder von Herzen wünsche: Ich habe Zeit, viel Zeit.
Was ist passiert? Ich hatte vor ein paar Wochen eine geplante Fuß-OP, bei der aber abzusehen war, dass ich einige Zeit im wahrsten Sinne des Wortes etwas kürzer treten muss, d.h. etwas immobiler bin und nicht ganz so viele Termine machen kann wie üblich.
Ich habe mich auf diese Zeit gefreut und habe geplant, sie für sogenanntes Business-Housekeeping zu benutzen. Business-Housekeeping ist für mich u.a.:
- Vor- und Nachbereitung von Terminen
- Erledigung aller administrativen Aufgaben
- neue Tools anschauen
- Homepage pflegen
- Blogartikel schreiben
Viele Tätigkeiten beim Business-Housekeeping sind Kleinigkeiten und viele Aufgaben müssen einfach nur abgearbeitet werden, damit das operative Geschäft reibungslos läuft.
Aber diese Aufgaben haben nichts mit Strategie oder dem langfristigen Überleben des Unternehmens zu tun. Dennoch sind sie notwendig und zugegeben auch in gewisser Weise befriedigend, weil sie überschaubar sind und man bei konzentrierter Arbeit eine Menge schaffen kann. Das sorgt für ein gutes Gefühl.
Nun habe ich wirklich alles erledigt:
- alle Angebote und Rechnungen sind verschickt
- ein paar papierne Altlasten sind gescannt
- Server und Co. sind von Datenaltlasten befreit
- meine Büroausstattung ist noch weiter reduziert
- habe mich intensiv mit dem Thema beleglose Buchhaltung beschäftigt
Im Rahmen des letzten Themas den Steuerberater gewechselt und vom Finanzamt endlich persönlich die Bestätigung, dass unter Beachtung von ein paar Regeln die elektronische Rechnungsaufbewahrung genügt, also keine Papierbelege mehr aufgehoben werden müssen (wenn Sie wissen möchten, wie das geht, melden Sie sich bei uns:-)).
Das alles ging schneller als gedacht und jetzt habe ich Zeit und merke, so einfach ist es gar nicht mit der freien Arbeitszeit. Das hat verschiedene Gründe:
- wir sind im Berufsleben diesen Modus – Zeit zu haben – gar nicht gewöhnt, weil wir unter Zeitdruck arbeiten
- wir abgelenkt sind durch Kommunikation über verschiedenste Kanäle
- oder uns selbst ablenken
- Folge: unser Konzentrations- und Denkmuskel ist atrophiert
- in meiner Situation hat es auch damit zu tun, dass es mir nicht leicht fällt, zu entscheiden, wo ich mit meinem Unternehmen hinsteuern möchte
- Mitarbeiter einstellen, in Hamburg wachsen
- weiter mit freien Mitarbeitern zusammenarbeiten und sich auch etwas freier fühlen
- sich mit Kooperationspartnern zusammentun
- die Fühler beruflich ins Ausland ausstrecken
- das Angebot erweitern oder reduzieren
- oder gar eine längere Pause machen?
Aus Gesprächen mit Kunden und deren Mitarbeitern weiß ich, dass viele Menschen es heutzutage nicht mehr gewohnt sind, Zeit zu haben und tatsächlich entwöhnt sind, was ein paar Stunden konzentrierte Beschäftigung im Job mit einem Thema betrifft, für das es keine externe Deadline gibt, sondern dass einem selbst am Herzen liegt oder dem Unternehmen langfristig wichtig ist. Es geht sogar so weit, dass die Menschen glauben, sich rechtfertigen zu müssen, wenn sie im Job mal eine Stunde eine Fachzeitschrift lesen. Alle sind im permanenten Reaktions- und „Wegarbeitsmodus“. Aber ich habe auch erfahren, dass, selbst wenn die Zeit mal eingeräumt wird, sich zunächst Ungläubigkeit und dann eine gewisse Hilflosigkeit breit macht. Ähnlich, wie es mir zuerst ging.
Obwohl ich mir diese luxuriöse Situation, Zeit zu haben, sehr gewünscht habe, ist es jetzt gar nicht so leicht, damit umzugehen. Auf der einen Seite genieße ich diesen Zustand, auf der anderen fühle ich auch eine große Verantwortung, etwas „Vernünftiges“ daraus zu machen, d.h. die Zeit zu nutzen für eine reflektierende Rückschau und einen Blick in die Zukunft. Der Blick in die Zukunft hat mit Strategie zu tun, denn immer wieder steht es für Unternehmer an, sich damit zu beschäftigen.
Das bedeutet für mich, vielleicht nicht heute, aber doch sicher bevor ich wieder mitten im Alltagsstress stehe, strategische Entscheidungen zu treffen. Strategische Entscheidungen, die den Job angehen, betreffen ja insbesondere bei Unternehmern und Selbständigen auch immer das Privatleben und umgekehrt. Das macht sie für mich gefühlt eine Nummer größer und schwerer.
„Strategische Entscheidungen“. Allein das Wort klingt sehr trocken. Ich denke aber, als Selbständige habe ich auch die Chance und Verantwortung zu schauen, zu überprüfen, nachzufühlen, ob die Unternehmensstrategie mit meinen ganz persönlichen Träumen zusammenpasst. (By the way, das sollten natürlich auch Angestellte regelmäßig tun:-)) Das ist Lust und ein bisschen Last zugleich. Ich bin frei genug, Verschiedenes auszuprobieren. Zeit zum Nachdenken und Entscheidungen sind gefragt. Zeit habe ich jetzt. Entscheidungen fallen bald.
Als ich anfangs merkte, dass ich jetzt Zeit hatte, habe ich wohl ein bisschen davon verschleudert, habe Pause gemacht, einfach etwas „rumgedaddelt“ und es gab ein paar Tage, bei denen ich mich am Ende fragte, was ich heute eigentlich gemacht habe.
Pause ist gut, sehr gut, wenn Sie bewusst gemacht und genossen wird. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich in diesen Modus gekommen bin und genießen konnte. Jetzt endlich bin ich im Denk- und Anstoßmodus und freue mich, dass ich die Anlaufzeit, die ich gebraucht habe, um in diesen Modus zu kommen, überstanden habe.
Ich weiß ja, dass es mir leicht fällt, meine Zeit hinsichtlich des Alltagsgeschäftes gut zu managen, konnte aber jetzt mal eine ganz andere Erfahrung machen.
Fazit: Ich weiß jetzt, dass ich mir häufiger Zeit nehmen möchte, d.h. sie auch tatsächlich im Kalender einplanen muss fürs Reflektieren, Nachdenken, Nachfühlen. Ich möchte schneller in den Modus kommen, das Alltagsgeschäft loszulassen und strategisch zu denken. Ich bin überzeugt davon, ich kann das trainieren. Und Sie auch. Wichtigste Voraussetzung dafür ist, sich die Zeit zu nehmen und das gelingt nur, indem man sie im Kalender auch tatsächlich blockt. Ich habe jetzt jeden Monat einen halben Tag dafür reserviert.