Tipps für mehr Produktivität und Zufriedenheit – Teil 3
Wenn Sie meinem vorangegangenen Tipp folgen, dann bemühen Sie sich, Ihre Aufgaben fertigzustellen, sobald Sie sie angefangen haben. Sie versuchen der Versuchung zu widerstehen, zwischen Aufgaben zu wechseln; sie versuchen auch, sich weniger durch Unterbrechungen ablenken zu lassen. Gut so! Sie sind auf dem richtigen Weg – aber es ist hart, oder? Sind Sie bereit für die nächsten Tipps für mehr Produktivität und Zufriedenheit?
Multitasking ist keine Option. Das habe ich ausführlich dargelegt. Es macht sehr geschäftig; dass dadurch aber irgendetwas schneller fertig würde, ist eine Illusion. Von höherer oder auch nur gleicher Qualität ganz zu schweigen. Die Geschwindigkeit und Qualität, die Sie erzielen, wenn Sie eine Aufgabe unterbrechungs- und wechselfrei von Anfang bis Ende fokussiert bearbeiten, ist nicht zu toppen. Der für Ihre Arbeit optimale Modus ist also der der sequenziellen Abarbeitung:
Tja, wenn da nicht die Realität wäre… Die spuckt nämlich dem Ideal immer wieder in die Suppe. So richtig es ist, dass Sie sich um Fokus bemühen, sich Raum für konzentrierte Aufmerksamkeit für genau eine Aufgabe schaffen – Sie laufen damit auch gegen Wände. Dennoch habe ich die Fokussierung als Tipp #2 genannt. Sie soll für Sie ein Leitstern sein. Darauf sollen Sie sich zubewegen. Er zeigt Ihnen an, wenn Sie sich im Tagesgeschäft zu weit in unproduktive Regionen verirrt haben.
Der Polarstern ist dem Navigator eine große Hilfe, erreichen tut er ihn jedoch nie. Genauso werden Sie es kaum schaffen, Ihre Arbeit so organisieren, dass Sie Aufgaben vollständig bearbeiten, bevor Sie etwas anderes beginnen.
Aber wie geht es denn realistisch mit dem Fokus?
Tipp #3: Takten Sie Ihre Arbeit
Das Geheimnis eines realistischen Umgangs mit der Notwendigkeit zum Fokus liegt in der Anerkenntnis von Begrenzungen:
- Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt
- Die Zeit zwischen Unterbrechungen ist begrenzt
- Ihre Hoheit über die Erledigung ist begrenzt
Selbst beim besten Willen, können Sie Unterbrechungen nicht vermeiden. Und Sie wollen es sogar auch gar nicht. Deshalb lautet mein Tipp #3: Bestimmen Sie selbst, wann Sie Ihre Arbeit unterbrechen. Nehmen Sie Ihr “Unterbrechungsschicksal” in die Hand. Lassen Sie sich nicht von außen diktieren, wie lange Sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren können, sondern unterbrechen Sie sich selbst. Immer wieder. Geplant. In einem angemessenen Takt.
Überlegen Sie einmal: Wenn eine Aufgabe von Anfang bis Ende 4 Stunden Arbeitszeit benötigt, wie realistisch ist es, dass Sie sich so lange auch voll darauf konzentrieren können? Selbst beim besten Willen und ganz ohne äußere Unterbrechungen werden Sie mir voller Aufmerksamkeit maximal 60 Minuten, höchstens 90 Minuten bei der Sache sein können. Wenn Sie danach ohne Pause weitermachen, sinkt ihre Leistung. Dann brauchen Sie für eine Aufgabe, die bei voller Konzentration 4 Stunden gedauert hätte vielleicht 4,5 oder 5 Stunden. Sie selbst merken das nicht. Genauso wie ein Betrunkener sich oft noch für fahrtüchtig hält. Ich selbst habe das auch schon ganz deutlich erlebt, als ich nach durchgearbeiteter Nacht mit einer Arbeit nicht voran kam. Kaum hatte ich ein paar Stunden geschlafen, war die Sache in 20 Minuten erledigt, an der ich mich im Morgengrauen stundenlang abgemüht hatte.
Wenn ich Ihnen empfehle zu fokussieren, dann meine ich also, dass Sie sich nur für die Dauer Ihrer maximalen Aufmerksamkeit tun sollten. Ist die überschritten, dann machen Sie eine Pause. Unterbrechen Sie sich selbst für einen Moment, um Kraft zu schöpfen. Wie Ihre Pause aussieht, ist Ihnen überlassen. Gehen Sie in die Kaffeeküche, machen Sie Gymnastik am Arbeitsplatz, lesen Sie E-Mails… Wie Sie mögen.
Überlegen Sie nun, wie realistisch es ist, dass Sie für die Dauer Ihrer maximalen Aufmerksamkeit – sagen wir einmal 60 Minuten – wirklich, wirklich ungestört sein können. Wann hat ein Kollege wieder mal eine Frage an Sie? Wann platzt der Vorgesetzte mit einer neuen Aufgabe herein? Wann klingelt das Telefon wieder? Das alles und mehr passiert gerade in der Kernarbeitszeit von 10 bis 16 Uhr häufig, viel zu häufig für konzentrierte Arbeit. Und diese Unterbrechungen zwingen Sie in einen unproduktiven Multitasking-Modus. Deshalb heißt es ja fokussieren, fokussieren, fokussieren.
Andererseits leben Sie nicht auf einer Insel. Sie können diese Unterbrechungen nicht abschalten. Ab und an wollen ja auch Sie jemanden unterbrechen, um kurz eine Auskunft zu bekommen. Sie stecken in einem Dilemma.
Zum Glück ist die Lösung einfach: Reagieren Sie nicht sofort auf Unterbrechungen, sondern dann, wenn Sie sich selbst unterbrechen. Sie müssen also niemanden abweisen, sondern nur vertrösten. Das Telefon können Sie für die Dauer Ihres selbst gegebenen Taktes mal nicht beantworten. Notieren Sie nur die Nummer des Anrufers. Und dem, der bei Ihnen persönlich auf der Matte steht, sagen Sie, “Lass mich dies noch kurz zu Ende machen. Dann bin ich gleich bei Ihnen.” Niemand wird Ihnen das übelnehmen, wenn Sie sich verlässlich wenig später wirklich melden und ganz Ohr sind. Im Gegenteil: Man wird Sie für Ihre disziplinierte Arbeitsweise und Verlässlichkeit schätzen.
Und schließlich überlegen Sie, wie lange Sie bei Ihren Aufgaben ohne Hilfe von anderen auskommen. Sie selbst haben Fragen für deren Beantwortung durch andere Sie von Ihrer Aufgabe lassen müssen oder Sie müssen sogar auf die Ergebnisse von anderen warten, bevor Sie weitermachen können. Es entstehen in Ihrer Arbeit also ganz natürlich Unterbrechungen. Sie würden also einem falschen Ideal hinterher jagen, wenn Sie versuchten, eine Aufgabe von Anfang bis Ende fokussiert abzuarbeiten.
Die Kunst besteht vielmehr darin, in den Aufgaben liegende Unterbrechungen nicht überraschend entstehen zu lassen. Planen Sie vielmehr ein wenig den nächsten Takt, um nicht in eine selbstverschuldete Unterbrechung zu laufen. Haben Sie schon alle Informationen, die Sie dafür brauchen? Und falls Sie auf eine Lücke während der Abarbeitung stoßen, versuchen Sie die Unterbrechung ans Ende Ihres Taktes zu verschieben. Fokussieren Sie sich wenn möglich erst einmal auf einen anderen Aspekt.
Fazit
Fokussierung ist nötig. Unterbrechungen des Fokus sind unvermeidbar. Übernehmen Sie deshalb die Kontrolle über die Unterbrechungen. Sie gewinnen Autonomie und schon damit Zufriedenheit. Und die Produktivität steigt durch realistische Fokussierungsphasen. Im nächsten Tipp verrate ich Ihnen, wie Sie sich mit ganz einfachen Hilfsmitteln beim Takten helfen und am Ende sogar Ihre Produktivitätsentwicklung messen können.
Der Gastblogger
Ralf Westphal ist Berater und Coach für Softwarequalität/-architektur und Teamorganisation. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren selbstständig für die IT-Branche – und in den letzten Jahren auch darüber hinaus. Als Querdenker mit breitem Interessengebiet glaubt er daran, dass Lernen im persönlichen wie organisatorischen Maßstab von Grenzüberschreitungen profitiert. Ralf ist darüber hinaus Autor von mehr als 500 Publikationen in Fachzeitschriften, betreibt mehrere Blogs und ist regelmäßiger Referent auf Fachkonferenzen im In- und Ausland. Blog: ralfw.blogspot.com, Twitter:@ralfw, Homepage: www.ralfw.de.