Elektronische Rechnungen – 10 Regeln
Beim elektronischen Rechnungsaustausch ist es seit dem 1. Juli 2011 freigestellt, auf welche Art und Weise eine Rechnung übermittelt wird. Das Steuervereinfachungsgesetz schreibt die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur oder des EDI-Verfahrens bei der elektronischen Rechnung nicht mehr zwingend vor.
Die nachfolgenden Darstellungen sind ohne Gewähr und sollen Ihnen nur einen groben Überblick geben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Merksätze sind nicht geeignet, Einzelheiten der jeweiligen gesetzlichen Regelungen und alle Aspekte der angesprochenen Themen zu beleuchten und ersetzen nicht die rechtliche und steuerrechtliche Beratung im Einzelfall.
1. Alle Rechnungen sind gleich zu behandeln
Alle Rechnungen sind umsatzsteuerrechtlich gleich zu behandeln. Alle Rechnungen müssen die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben erfüllen, insbesondere die Gewährleistung der Kriterien »Authentizität«, »Integrität« und »Lesbarkeit«. Darüber hinaus müssen die Pflichtangaben, die sich aus §§ 14 Abs. 4, 14a UStG ergeben, vollständig und richtig enthalten sein. Alle nachfolgenden Punkte gelten grundsätzlich sowohl für elektronische Rechnungen als auch für Papierrechnungen.
Über den Empfang elektronischer Rechnungen muss Einvernehmen zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger bestehen. Die Zustimmung muss nicht schriftlich erfolgen, es kann auch genügen, elektronische Rechnungen zu akzeptieren und das Verfahren damit stillschweigend (konkludent) zu billigen.
2. Elektronische Rechnungen sind technologieneutral
Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, deren Erstellung, Übermittlung und Empfang auf elektronischem Weg erfolgt. Sowohl für das Format, in dem die Rechnung erstellt wird, als auch für den Weg, auf dem sie übermittelt wird, gilt Technologieneutralität und Wahlfreiheit.
3. Authentizität und Integrität sind zu gewährleisten
Für jede Rechnung (Papier und elektronisch) ist die Echtheit der Herkunft (»Authentizität«) und die Unversehrtheit des Inhalts (»Integrität«) zu gewährleisten. Authentizität und Integrität können durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren sichergestellt werden, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung herstellt. Aufgabe des innerbetrieblichen Kontrollverfahrens ist dabei ausschließlich, die korrekte Übermittlung der Rechnung sicherzustellen. Nach dem BMF-Schreiben zur »Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung zum 1. Juli 2011 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011« rechtfertige eine inhaltlich richtige Rechnung (bezogen auf Leistung, Leistender, Entgelt, Zahlungsempfänger) die Annahme, dass Authentizität und Integrität gewährleistet seien.
Wie das Kontrollverfahren und der Prüfpfad im Detail auszugestalten sind, hat jeder Unternehmer selbst festzulegen. Grundsätzlich ist aber zu prüfen, ob durch die Rechnung eine Zahlungsverpflichtung entsteht. Insbesondere wird der Rechnungsempfänger im Rahmen einer Rechnungsprüfung etwa abgleichen, ob die Leistung in richtiger Art, Menge und Preis erbracht wurde und der Rechnungsaussteller einen Zahlungsanspruch hat. Sämtliche Informationen, die der Rechnungsempfänger dabei zu Hilfe nimmt (Verträge, Bestelldokumente, Lieferscheine, usw.), können den verlässlichen Prüfpfad begründen. Das innerbetriebliche Kontrollverfahren muss dabei nicht IT-gestützt ablaufen.
4. Signatur und EDI sind weiterhin möglich
Ungeachtet der Möglichkeit, innerbetriebliche Kontrollverfahren auf Seiten des Empfängers einzurichten, sind auch die bislang vorgeschriebenen technischen Verfahren auf Basis der qualifizierten elektronischen Signatur und des EDI-Verfahrens weiterhin als Alternative zulässig. Richtig angewendet, werden damit die Kriterien »Authentizität« und »Integrität« als eine der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug per se als gewährleistet angesehen. Bei Einsatz einer Signatur muss es sich um eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine qualifizierte elektronische Signatur mit Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz (SigG) gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 1 UStG handeln. Der Empfänger hat bei jeder Rechnung die jeweilige Signatur mittels eines elektronischen Prüfprogramms zu verifizieren und die Ergebnisse zu protokollieren. Sowohl das Prüfprotokoll als auch die Signatur selbst gehören zu den aufbewahrungs- pflichtigen Unterlagen.
Rechnungen, die per EDI (Electronic Data Interchange) ausgetauscht werden, müssen in strukturierter Form vorliegen und eine maschinelle Weiterverarbeitung ermöglichen. Beim Einsatz von EDI-Verfahren müssen Maßnahmen zur Sicherstellung von Authentizität und Integrität im Rahmen des Verfahrens implementiert werden. Wesentlicher Bestandteil ist hier in der Regel die Verwendung von gesicherten Übertragungswegen. Alle implementierten Maßnahmen müssen in eine zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger schriftlich gefasste Vereinbarung über diesen Datenaustausch aufgenommen werden.
5. Jede Rechnung muss lesbar sein
Die Lesbarkeit einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die umsatzsteuerlichen Pflichtangaben für das menschliche Auge lesbar dargestellt werden können. Während Papierrechnungen diese Anforderungen grundsätzlich erfüllen (hier steht z. B. »Rechnungsdatum 31.12.2011«), müssen bei elektronischen Rechnungen dafür geeignete Anzeigeprogramme eingesetzt werden (z. B. ein passender Viewer für PDF-Formate). Liegen Rechnungen in strukturierter Form vor, um eine maschinelle Weiterverarbeitung zu ermöglichen, so ist bei ihrer Darstellung eine eindeutige Zuordnung des jeweiligen Attributs zu seinem Inhalt erforderlich. Es muss also klar erkennbar sein, welchen Wert z. B. das Attribut »Rechnungsdatum« enthält. Auch hier kann ein geeigneter Viewer zum Einsatz kommen. Eine spezielle Anordnung der Inhalte ist nicht erforderlich, eine einfache Aufzählung genügt (z. B. »Rechnungsdatum = 31.12.2011«, »USt-IdNr. des Rechnungsausstellers = DE123456789«, usw.). Die Lesbarkeit muss über den gesamten Aufbewahrungszeitraum gewährleistet sein, es müssen also auch geeignete Anzeigeprogramme über diesen Zeitraum vorgehalten werden.
6. Jede Rechnung muss die Pflichtangaben enthalten
Umsatzsteuerlich und als eine der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug muss jede Rechnung die in §§ 14 Abs. 4, 14a UStG aufgezählten Pflichtangaben beinhalten. Dies gilt gerade auch für Rechnungen, die in strukturierter Form vorliegen (siehe dazu Punkt 5.). Zu den umsatzsteuerlichen Pflichtangaben gehören u.a. der vollständige Name samt Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, das Ausstellungsdatum und die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände bzw. Art und Umfang der sonstigen Leistung (für die vollständigen Pflichtangaben siehe §§ 14 Abs. 4, 14a UStG).
7. Jede Rechnung muss aufbewahrt werden
Für Rechnungen gilt umsatzsteuerrechtlich eine Aufbewahrungsdauer von zehn Jahren (siehe dazu § 14b Abs. 1 UStG). Alle Rechnungen müssen unveränderbar aufbewahrt werden. Unveränderbarkeit ist gewährleistet, wenn jederzeit auf den Originalzustand geschlossen werden kann. Zur Unveränderbarkeit zählt damit auch, dass Rechnungen während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht oder vernichtet werden dürfen. Unveränderbarkeit kann durch ein Zusammenspiel von Organisation, Kontrollmechanismen, Hardware und Software im Unternehmen erreicht werden. Elektronische Rechnungen sind als digitale Dokumente unverändert originär elektronisch aufzubewahren. Zur Digitalisierung von Papierrechnungen siehe Punkt 8.
Werden empfangene elektronische Rechnungen ordnungsgemäß im Originalformat aufbewahrt, so steht dem nicht entgegen, dass diese Rechnungen z.B. für unternehmensinterne Zwecke auf Papier ausgedruckt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass solche Ausdrucke durch Hinzufügen von z.B. handschriftlichen Kontierungsinformationen zu einem eigenständigen handels- und steuerrechtlichen Beleg werden können, für den dann ebenfalls die jeweiligen Aufbewahrungsvorschriften gelten.
8. Papierrechnungen dürfen digitalisiert werden
Papierrechnungen können unter bestimmten Voraussetzungen digitalisiert (gescannt) aufbewahrt werden. Dazu muss das Verfahren zur Digitalisierung von Papierrechnungen und deren Aufbewahrung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) bzw. den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS, BMF-Schreiben vom 7. November 1995 – IV A 8 – S 0316 – 52/95- BStBl 1995 I S. 738) entsprechen. Die Bilddateien treten damit an die Stelle der ursprünglichen Papier-Originale. Die Originalunterlagen können dann vernichtet werden, soweit sie nicht nach anderen Rechtsvorschriften im Original aufzubewahren sind. Zur Risikovermeidung kann die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit des eingerichteten Verfahrens zur Digitalisierung und Archivierung vor der Vernichtung durch einen Wirtschaftsprüfer beurteilt werden.
9. Die Vorgänge müssen nachvollziehbar sein (Dokumentation)
Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 ergeben sich keine erhöhten oder veränderten Dokumentationspflichten. Das bedeutet aber nicht, dass auf eine Dokumentation verzichtet werden kann. Im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sowie der Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) ist die Erstellung einer Verfahrensdokumentation für alle Geschäftsprozesse (insbesondere für die IT-gestützten) gefordert. In den Anwendungskreis eingeschlossen seit jeher sind Prozesse zur Rechnungsstellung und zum Rechnungsempfang (inkl. Rechnungsprüfung), wobei stets alle Versionen der Verfahrensdokumentation über den gesamten Aufbewahrungszeitraum hinweg vorzuhalten sind.
Zum Nachweis der Authentizität und Integrität ist es ratsam, neben der Beschreibung des Kontrollverfahrens an sich auch Nachweise zu führen, dass die einzelnen Rechnungen das Kontrollverfahren tatsächlich durchlaufen haben. Sämtliche Dokumente, die zur Herstellung des Prüfpfads herangezogen wurden (Bestellungen, Lieferscheine, Verträge, usw.) gehören dabei wiederum zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen.
10. Elektronische Rechnungen unterliegen dem Recht auf Datenzugriff
(Umsatzsteuer-Nachschau und GDPdU)
Im Rahmen einer unangekündigten Umsatzsteuer-Nachschau kann auch ein Zugriff auf elektronisch gespeicherte Dokumente und Daten (insbesondere elektronische Rechnungen) gefordert werden, ähnlich wie bei einer steuerlichen Außenprüfung nach § 147 Abs. 6 AO. In beiden Fällen haben Betriebsprüfer das Recht, das Datenverarbeitungssystem des Unternehmers mittels Lesezugriff zu nutzen oder die entsprechenden Daten anzufordern. Bei der Umsatzsteuer- Nachschau entfällt für die Unternehmen jegliche Vorlaufzeit – etwa zum Einrichten entsprechender Prüferberechtigungen – und der Datenzugriff muss unverzüglich, d. h. in an-gemessener Zeit zur Verfügung stehen.
Quelle (leicht gekürzt): Verfasst im BITKOM-Arbeitskreis ECM Compliance | 11. Juli 2012, www.ecm-navigator.de