Verschwendung im Büro vermeiden

Kategorien: Lean Digital Office

Das Büro von Morgen soll noch produktiver sein und gleichzeitig entspannter funktionieren. Ich glaube fest daran, dass das kein Widerspruch ist. In meinem Konzept vom Lean Digital Office (abgeleitet von Lean Administration) ist beides sogar zwingend eine Einheit: nur wer entspannt ist, kann all seine Fähigkeit voll einbringen. Häufig wird „Lean“ im Kontext von Prozessoptimierung mit „Schlank“ übersetzt und ebenso häufig wird dies auch heftig kritisiert. Ich finde die theoretische Diskussion dazu nicht so erheblich und ich persönlich kann mit dem Begriff „schlanke“ Prozesse etwas anfangen. Prozesse, die von allem Überflüssigem befreit sind und die Assoziation zu überflüssigen Pfunden oder verstopfender Schlacke gefällt mir gut. Ich finde, das Bild  hilft, Verschwendung im Büro zu erkennen.

Doch woher kommt die oben erwähnte Entspannung? Die entsteht im ersten Schritt durch „Entschlackung“. Denn zunächst einmal raubt Schlacke aller Art wertvolle Kapazität. Sie bläht die Arbeit über das eigentlich notwendige Maß hinaus auf oder verzögert sie unnötig.

Verschwendung im Büro erkennen

Schlacke, Plaque, Fett oder Verschwendung sind Begriffe für das, was in allen Büros zu viel ist. So vielfältig die Begriffe, so vielfältig auch die Erscheinungsformen von Verschwendung. Schauen Sie sich um, Sie werden sie auf den ersten, spätestens auf den zweiten Blick erkennen. Fragen Sie sich bei jeder Handlung einfach: „Werde ich dafür bezahlt, davon mehr zu tun?“, „Entsteht ein Mehrwert für den Kunden, für den er bezahlen würde?“ oder „Würde es dem Unternehmen gut tun, wenn ich öfter so handeln würde?“.

Für Plaque lautet die Antwort auf diese oder ähnliche Fragen per definitionem Nein. Ein paar Beispiele gefällig?

  • Werden Sie dafür bezahlt, einen Vertrag zu suchen? Nein! Sie werden dafür bezahlt, einen Vertrag zu prüfen, aber nicht, ihn zu suchen?
  • Werden Sie dafür bezahlt, Ihren Kollegen nach dem Stand seiner Arbeit an einem Vertrag zu fragen? Nein! Sie werden dafür bezahlt, aufgrund seines Arbeitsstandes eine Entscheidung zu treffen, doch nicht für eine Nachfrage.
  • Werden Sie dafür bezahlt, mit Ihren Kollegen einen Termin für eine Projektbesprechung abzustimmen? Nein! Sie werden dafür bezahlt, konstruktiv an der Besprechung teilzunehmen, doch nicht für eine Terminabstimmung.

Das war einfach, oder? Aber es geht noch weiter! Treten Sie einen Schritt zurück und fragen sich: Würden mehr Vertragsprüfungen den Erfolg des Unternehmens steigern? Würden mehr Projektbesprechungen die Produktivität erhöhen?

Wenn Sie nicht gerade in einem Unternehmen arbeiten, das mit Vertragsprüfungen sein Geld verdient oder vielleicht mit der Moderation von Besprechungen, dann lauten die Antworten wiederum Nein. Auch Prüfungen und Besprechungen sind produktivitätsreduzierende Schlacken.

Die Verschwendung lauert wirklich überall. Machen Sie die Augen auf!

Verschwendungsarten

In der Lean-Literatur bezeichnet man Verschwendung auch mit jap. muda und differenziert mindestens sieben Arten:

  • Materialbewegungen (engl. transportation)
  • Bestände (engl. inventory)
  • Bewegungen (sonstige Bewegungen, engl. motion)
  • Wartezeiten (engl. waiting)
  • Überverarbeitung (engl. over-processing)
  • Überproduktion (engl. over-production)
  • Nacharbeit (engl. defects, re-work)

Das mag sich für Sie ein wenig theoretisch oder zu sehr bezogen auf industrielle Produktion anhören. Das ist der Herkunft des Lean-Ansatzes aus der Automobilindustrie geschuldet. Doch in jeder muda-Art steckt eine Essenz von universeller Gültigkeit. Die lässt sich auch auf den Kontext Büro anwenden.

Lassen Sie mich beispielhaft einige Verschwendungsarten herausgreifen:

  • Nacharbeit: Defekte entstehen nicht nur in einer physischen Produktion. Jeder formale oder inhaltliche Fehler in einem Brief oder einem Marketingtext, den nicht Sie beim Schreiben finden, sondern später korrigieren müssen, weil jemand anderes darüber gestolpert ist, führt zu Nacharbeit.
  • Bestände: Alles, was darauf wartet, bearbeitet zu werden, ist Bestand. Dazu gehört nicht nur Material in einem Lager, sondern auch all das, was in Ihrer Email-Inbox noch unerledigt schlummert oder auf Ihrer langen Aufgabenliste wartet. Vorausgesetzt, dass es sich dabei um Dinge handelt, für deren Erledigung sie bezahlt werden, ist es eine Verschwendung, sie sich zu einer Halde auftürmen zu lassen. Die Erledigung würde ja das Unternehmen voranbringen. Bestände stellen gebundenes bzw. noch nicht realisiertes Geld dar. Ganz zu schweigen von dem Fall, dass die Bearbeitung eines Bestandes selbst Verschwendung ist.
  • Überproduktion: Wenn von einer Sache, die in einer gewissen Menge notwendig ist, mehr als diese Menge produziert wird, dann ist das Überproduktion. Was zu viel produziert wurde, hat dann entweder Kapital vernichtet oder bindet es zumindest in Form von Beständen auf ungewisse Zeit oder führt zu weiteren Entsorgungsaufwände. Beispiele für Überproduktion im Büroalltag sind mehrfache Kopien von Dokumenten, Email-Flut durch lange CC-Listen bzw. Antworten an alle oder ausgedehnte Besprechungsrunden.
  • Fähigkeiten der Mitarbeiter, die nicht genutzt werden sind pure Verschwendung. Hochqualifizierte Ingenieure verbringen zum Teil bis zu 15% der Arbeitszeit mir Sekretariatsaufgaben. Ungenutzte Ressourcen, finden sich häufig auch im digitalen Bereich. Da wird eine sehr teuere Software gekauft, aber die Mitarbeiter nicht genügend geschult, mit dem Ergebnis, dass die Mitarbeiter häufig an der neuen Software vorbei arbeiten. Ich kenne einige Unternehmen, die Share Point implementiert haben – oder sagen wir zumindest, Lizenzen dafür haben –, aber Mitarbeiter nutzen das Programm nicht oder wissen zum Teil nicht einmal was Share Point ist. Noch viel häufiger fällt es mir bei den eigentlich gängigen Programmen wie dem Office Paket auf. Es wird nur ein Bruchteil genutzt. Doch dann hätte man auch nur einen Bruchteil investieren müssen, oder?

Spüren Sie jetzt die Relevanz des Lean-Denkens mit seinem differenzierten Blick auf Schlacke, Fett, Plaque etwas deutlicher? Noch umfassender ist Diskussion von Verschwendung im Büro bei Lean In the Digital Office. Verschwendung ist real. Verschwendung ist ein erheblicher Kostenfaktor.

Aber leider bewegt sich ein großer Teil von Verschwendung außerhalb des üblichen Wahrnehmungshorizontes der Organisation im Büro. Aber dafür bin ich ja da 😉 Denn genau darin sehe ich meinen Job als Efficiency Trainer: Ihnen zu helfen, die blinden Flecken beim Thema Büro-Schlacke auszuleuchten.

Unvermeidbare Verschwendung im Büro

Leider ist es mit dem Erkennen von Verschwendung jedoch nicht getan. Damit meine ich nicht, dass die Verschwendung ja auch noch abgestellt werden muss. Das ist ja klar, auch wenn es nicht einfach sein mag, weil oft Verschwendungen an tief sitzenden und lieb gewonnenen Gewohnheiten hängen.

Nein, ich meine, dass nach der Erkennung und vor der Abstellung noch ein weiterer Schritt zu tun ist: die Abwägung.

Es ist nämlich so, dass auch beim besten Willen nicht alle Verschwendung abgestellt werden kann. Verschwendung ist unvermeidbar. Verschwendungsquellen sind nämlich durchaus miteinander gekoppelt. Sie existieren in einem Geflecht, so dass eine Veränderung bei der einen Verschwendungsart automatisch und quasi unvermeidbar auch eine Veränderung bei einer anderen Verschwendungsart nach sich zieht. Eine Verringerung hier kann einen Zuwachs dort bewirken.

Erreichbar ist mithin lediglich eine (schrittweise) Verringerung von Verschwendung in einer gewissen Balance. Die Leitfragen dabei:

  • Wo tut Verschwendung am wenigsten weh?
  • Wo ist die Kapazität so groß, dass Verschwendung die eigentliche Arbeit am wenigsten behindert?
  • Wo kann man sie am ehesten eliminieren?
  • Bei welcher Änderung ist ein Erfolgserlebnis am wahrscheinlichsten?

Wo die Reduktion einer Verschwendung angegangen werden soll, ist also gleichzeitig zu überlegen, ob und wie sich dadurch das Gesamtgefüge verschiebt und zu größerer Verschwendung als bisher an anderer Stelle führen mag.

Eine typisches Beispiel für eine solche unbalancierte Verschwendungsreduktion bzw. -verschiebung sind pauschale und minutiöse Rechnungsprüfungen in vielen Unternehmen. Eingeführt werden sie, um finanzielle Verschwendung zu senken – sind aber selbst Schlacke. Umso mehr, je größer der Aufwand im Verhältnis zum potenziellen Schaden ist. Der ist allerdings nicht einfach aus dem Rechnungsbetrag abzuleiten, sondern hat mit der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers zu tun. Eine differenzierte Betrachtung findet jedoch oft nicht statt – so entsteht trotz guten Willens unterm Strich Verschwendung, weil häufig jeder Rechnung geprüft wird.

Mein Fazit

Insofern bin ich keine Verschwendungsreduktionsfanatikerin. Ich bin sehr sensibel für Verschwendungen, glaube jedoch nicht an pauschale und dogmatische Maßnahmen. Augenmaß und Angemessenheit im Sinne der Situation vor Ort sind mir wichtig.

So ist die Arbeit für mich und meine Kunden an der Absenkung des Verschwendungsniveaus schon entspannt und produktiv, d.h. lean – ganz zu schweigen vom entschlackten Ergebnis.

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