Lust und Last des Aufräumens
Es ist ein Phänomen: obwohl die meisten Menschen wissen, wie befreit und erleichtert sie sich nach einer Aufräumaktion fühlen, schieben sie das Aufräumen vor sich her, ganz egal, ob es sich um’s Büro, Kleiderschrank oder den Dachboden handelt. Aber: Ist es Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass viele Menschen das Aufräumen als minderwertige Tätigkeit ansehen und dennoch: Freunde und Kollegen stolz berichten, dass sie endlich das Büro oder den Dachboden aufgeräumt haben?
Das befriedigende Gefühl und der Stolz erklären sich leicht: richtig Aufräumen ist Denksport und fordert Konzentration. Da weiß man anschließend was man gemacht hat und sieht auch noch ein direktes Ergebnis. Es fühlt sich an, als hätte man das komplizierte Konzept für den Kunden endlich fertig oder nach langem Grübeln eine Lösung für ein fachliches Problem gefunden. Wer aufräumt verschafft sich Platz, Zeit und Durchblick. Aber warum ist der Angang so schwierig?
Gründe für Aufschieberitits beim Aufräumen
Aufräumen bedeutet, viele Entscheidungen in kurzer Zeit zu treffen und konsequenterweise auch Dinge loszulassen. Und das ist anstrengend, weil genau die Entscheidungen getroffen werden müssen, die vorher bewusst oder unbewusst vermieden wurden. Unordnung entsteht, wenn man nicht weiß wohin mit den Dokumenten oder Gegenständen und sie aus lauter Verzweiflung irgendwo ablegt. Man nimmt sich vor, man räumt das weg, wenn man demnächst Zeit hat. Natürlich passiert das nicht sobald.
Außerdem zeigen sich unmittelbar nach gedankenlosem Ablegen die Effekte der „broken-windows-theory“. Damit wird ein vergleichsweise harmloses Phänomen, beispielsweise ein zerbrochenes Fenster in einem leerstehenden Haus, das später zu völliger Verwahrlosung führen kann, beschrieben. Wer kennt das nicht, Schubladen, Regale, Schränke, ganze Tische oder Ecken im Büro, wo irgendjemand völlig unbedacht etwas hingelegt hat und in kurzer Zeit findet sich dort ein Sammelsurium herrenloser unnützer Papiere oder Gegenstände. Und wenn erst einmal Unordnung entstanden ist, wissen die meisten Menschen genau, dass es anstrengend wird, diese zu beseitigen. Also gilt auch beim Thema Unordnung: Wehret den Anfängen!
Aufräumen ist Denksport und Selbstcoaching
Aufräumen richtig gemacht ist eine anstrengende Angelegenheit und mentale Höchstleistung aus drei Gründen:
1. Man sollte sich beim Aufräumen immer fragen, wie konnte es zu der Unordnung kommen und was muss ich künftig ändern, damit mein Umfeld dauerhaft ordentlich bleibt. Konkret heißt das, man muss im Büro zum Beispiel viele kleine und große, lange schon gewohnte, Arbeitsabläufe unter die Lupe nehmen und Alternativlösungen finden. Lösungen für effizientere Prozesse und ein optimiertes Dokumenten- und Dateimanagement. In einem Team können die Vorstellung dabei sehr auseinandergehen, so dass Lösungen im Dialog (z.B. mit Kaizen Methoden) erarbeitet werden müssen. Das heißt, gewohnte Wege und Systeme von außen zu betrachten, und neue sinnvolle Strukturen zu entwickeln. Dabei sind Fähigkeiten wie: Offenheit, Kreativität, Kritikfähigkeit, logisches Denken und die Fähigkeit sich auf andere Gedankenmodelle einzulassen, gefragt.
2. Beim Aufräumen werden Entscheidungen im Sekundentakt getroffen. Entscheidungen wie:
- Brauche ich das noch?
- Besteht eventuell eine Aufbewahrungspflicht?
- Ist es wichtig für meinen Job, oder mir persönlich wichtig?
Wenn eine dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet wird, sind neue Entscheidungen fällig:
- Brauche ich das noch?
- Besteht eventuell eine Aufbewahrungspflicht?
- Ist es wichtig für meinen Job, oder mir persönlich wichtig?
Wenn Sie sich entscheiden, etwas auszusortieren, ab- oder wegzugeben, wegzuwerfen müssen Sie sich fragen,
- Wenn ich es nicht benötige, wer benötigt es oder ist dafür zuständig?
- Oder wem kann man eine Freude damit machen?
- Wie gelangen die Dinge zeitnah an die entsprechende Stelle?
- Wie kann oder müssen sie entsorgt werden (Datenschutz, Sondermüll)
3. Wer ernsthaft aufräumt muss sich von alten lieb gewonnenen Strukturen lösen und neue Strukturen entwickeln. Alle Arbeitsabläufe so lassen wie bisher, nur das äußere Umfeld ein wieder bißchen hübsch machen und dabei auf ein anderes Ergebnis als bisher hoffen, ist verschenkte Zeit. Wenn Sie dauerhafte Ordnung erreichen wollen, müssen Sie etwas ändern und loslassen. Nicht nur Strukturen und Gewohnheiten sondern auch Dokumente, Dateien, Gegenstände gilt es loszulassen. Das kostet Kraft. Im privaten Umfeld sind oft Emotionen und vermeintliche Verpflichtungen mit dem Aufbewahren von Dingen verbunden. Im beruflichen Umfeld sind es meist Unsicherheiten, bestimmte Informationen eines Tages doch noch zu benötigen.
Gute Organisation und Ordnung halten ist wie Sport treiben
Nachdem aufgeräumt wurde, neue Strukturen, Prozesse und Standards festgelegt sind, gilt es, sich im Arbeitsleben und zu Hause darauf einzulassen und täglich zu üben. Das bedeutet für die meisten Menschen ein Verlassen ihrer Komfortzone, insbesondere im Berufsleben. Häufig basieren die neuen Strukturen auf einem Kompromiss im Team und entsprechen nicht hundertprozentig den eigenen Vorstellungen. Außerdem muss man viele kleine Gewohnheiten und Automatismen abstellen, um neue Arbeitsabläufe leben und sich daran gewöhnen zu können.
Man kann Ordnung halten und gut organisiert arbeiten mit dem Trainieren einer Sportart vergleichen. Nur wer beständig übt, bleibt gut und wird besser. Und wie im Sport muss man sich regelmäßig fragen, mache ich alles richtig, wie kann ich besser werden, oder was ist der Grund für Stagnation. Und wie im Sport hilft es auch hier, sich hin und wieder einen Trainer oder Coach zu Hilfe zu holen.
Wenn Sie mit einer neuen Sportart anfangen wollen, überlegen Sie sich, was wollen Sie erreichen, was wollen Sie investieren, wer soll dabei sein, wer kann Sie unterstützen, wann und wie wollen Sie anfangen. Die gleichen Fragen sind hilfreich vor der nächsten, Aufräum- Um- und Neustrukturierungsaktion. Was ist Ihre Erfahrung?